Du bist krank - und fühlst dich beim Praxisbesuch nicht ernst genommen?
Immer wieder erleben Patient*innen, insbesondere Frauen, queere Personen und Menschen mit chronischen, komplexen oder nicht sichtbaren Erkrankungen, dass ihre Beschwerden abgetan, ignoriert oder auf die Psyche geschoben werden. Dieses Phänomen hat einen Namen: Medical Gaslighting. Das kann bedeuten, dass dir deine eigene Wahrnehmung abgesprochen wird oder deine Beschwerden bagatellisiert werden – und das ausgerechnet dort, wo du Expertise und Unterstützung suchst.
Diese Seite richtet sich an dich: Wenn du dich fragst, ob dir genau das gerade passiert (ist), wenn du wissen willst, welche Rechte du hast, und wenn du konkrete Unterstützung suchst. Du bist nicht allein. Du hast das Recht, gehört zu werden – und auf eine medizinische Versorgung, die dich und deinen Körper ernst nimmt.
Woran erkenne ich, dass ich Medical Gaslighting erfahre?
Wenn medizinisches Fachpersonal deine Beschwerden herunterspielt, ignoriert oder dir einredet, dass du dir deine Symptome nur einbildest, erlebst du mit hoher Wahrscheinlichkeit gerade Medical Gaslighting. Oft geschieht das subtil, aber es kann tiefgreifende Folgen für Diagnosen und Behandlungen haben.
Diese Liste nennt nur einige der vielen möglichen Warnzeichen. Wenn dir einer oder mehrere dieser Punkte bekannt vorkommen – oder du ähnliche Erfahrungen gemacht hast – ist Achtsamkeit wichtig. Gerade FLINTA* Personen, chronisch Kranke, queere Menschen, Menschen mit Behinderung oder mit marginalisierten Körpern sind überproportional oft betroffen – das belegen zahlreiche Studien. Mehr Informationen und vertiefende Inhalte dazu findest du auch auf unserer Website.
Wie kann ich mich in diesem Moment verhalten?
Du hast das Recht, ernst genommen zu werden. Wenn du den Eindruck hast, Medical Gaslighting zu erfahren, könnten dir folgende Punkte dabei helfen, für dich einzustehen:
Vorbereitung
Vertraue deinem Körpergefühl. Du bist Expert*in für deinen eigenen Körper. Wenn sich etwas nicht richtig anfühlt, ist es berechtigt, dranzubleiben.
Definiere ein klares Ziel für deinen Besuch in der Praxis oder Klinik (z. B. bestimmte Untersuchungen oder Fragen klären).
Schreibe dir im Voraus deine wichtigsten Fragen und Anliegen auf.
Bereite ein kurzes, strukturiertes Symptom-Update vor (Tagebuch, App, Notizen). Das hilft dir, Muster zu erkennen und beim nächsten Termin gezielter zu berichten.
Wann haben die Beschwerden begonnen? Wie äußern sie sich? Was hast du bereits versucht?
Während des Gesprächs
Nimm eine Vertrauensperson mit in das Gespräch – sie kann dich unterstützen oder mitschreiben.
Frage aktiv nach: „Könnten wir das medizinisch noch weiter abklären?“ oder „Was spricht gegen eine weitere Untersuchung?“
Wenn du dich übergangen oder diskriminiert fühlst, sprich das an – höflich, aber bestimmt. Auch das kann ein Umdenken anstoßen.
Weitere Schritte
Bitte um eine Zweitmeinung. Du darfst zu einer anderen Ärzt*in gehen.
Suche den Austausch mit Patient*innen, die ähnliche Symptome haben – z. B. in Selbsthilfegruppen oder Online-Communities. Dort bekommst du oft hilfreiche Erfahrungswerte oder auch Ärzt*innenempfehlungen.
Es ist nicht deine Schuld, wenn du dich ohnmächtig fühlst – Gaslighting wirkt oft genau so. Aber du bist nicht allein, und es gibt Wege, die Situation zu ändern.
Was steht mir als Patient*in überhaupt zu?
Ärzt*innen sind verpflichtet, dich nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu behandeln – auch wenn dein Erscheinungsbild, deine Herkunft oder dein Geschlecht nicht dem klassischen Lehrbuch entsprechen. Über die eigenen Rechte Bescheid zu wissen, kann dir ein Gefühl von Sicherheit verschaffen.
Das deutsche Patientenrechtegesetz sichert dir eine Reihe von Rechten zu. Hier die wichtigsten:
Wie kann ich mich nach der Situation verhalten?
Langfristig kann es auf jeden Fall hilfreich sein, sich mit anderen Betroffenen zu vernetzen. Teile deine Erfahrung (auch anonym), wenn du möchtest. Das schafft Sichtbarkeit und gibt dir das Gefühl, nicht allein zu sein. Denn das bist du auch nicht, es gibt Menschen, die dir helfen möchten. Fordere gute medizinische Versorgung ein. Du hast Rechte. Und du hast die Möglichkeit, dich zu beschweren.
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Notiere dir am besten direkt nach dem Termin: Was wurde gesagt? Wie hast du dich dabei gefühlt? Datum, Uhrzeit, Name der Praxis oder Klinik. Diese Notizen helfen dir, wenn du dich im Nachgang beschweren möchtest. Wenn du den Vorfall melden möchtest, gibt es verschiedene Wege:
Patientenfürsprecher*innen & Beschwerdestellen in Kliniken: Viele Krankenhäuser haben interne Ansprechpartner*innen für Beschwerden. Du findest sie meist auf der Klinik-Website unter „Beschwerdemanagement“ oder „Patientenfürsprache“.
Ärztekammern / Kassenärztliche Vereinigungen: Wurde dir gegenüber ärztlich unprofessionell oder diskriminierend gehandelt, kannst du Beschwerde bei der zuständigen Ärztekammer oder Kassenärztlichen Vereinigung deines Bundeslandes einreichen.
Krankenkassen: Auch deine Krankenkasse kann eine mögliche Anlaufstelle sein, wenn du z. B. das Gefühl hast, dir wird eine nötige Behandlung verweigert oder es wird unangemessen mit dir umgegangen.
Unabhängige Patient*innenenberatung Deutschland (UPD): Die UPD bietet kostenlose Beratung rund um Patient*innenrechte und unterstützt bei Beschwerden. (Kostenfreie Hotline: 0800 – 011 77 22, Website: www.patientenberatung.de)
Es kann sehr belastend sein, sich nach einer solchen Erfahrung noch selbst kümmern zu müssen. Du musst das nicht allein schaffen. Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und Community-Angebote können dich begleiten, dir Sicherheit geben oder dir helfen, deine Rechte durchzusetzen.
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Unabhängige Patient*innenberatung Deutschland (UPD) – Infos zu deinen Rechten: www.patientenberatung.de
Antidiskriminierungsstelle des Bundes – wenn du Diskriminierung im Gesundheitswesen erlebt hast: www.antidiskriminierungsstelle.de
Pro Familia – psychosoziale Beratung, v. a. zu sexueller und reproduktiver Gesundheit: www.profamilia.de
Queermed Deutschland: www.queermed-deutschland.de
Verschiedene Polikliniken – bieten Gesundheitsberatung an, z. B. in Leipzig https://poliklinik-leipzig.org/
MediNetz – Nichtregierungsorganisationen in sämtlichen Städten, welche sich für die medizinische Versorgung von Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus einsetzen.
Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) – psychosoziale Beratung, Workshops und Fortbildungen https://dgti.org/
Psychosoziale Zentren für Migrant*innen und Geflüchtete (PSZ) – kultursensible Beratung in vielen Städten Übersicht: www.baff-zentren.org
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Es gibt eine Vielzahl an Organisationen, Netzwerken und Selbsthilfegruppen zu verschiedenen Erkrankungen. An dieser Stelle verweisen wir ausschließlich auf diejenigen, die wir auch im Rahmen unserer Plakatkampagne berücksichtigen:
Endometriose und Adenomyose.: Home - Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V.
Herzerkrankungen: Deutsche Herzstiftung e.V.
Lungenkrebs: Bundesverband Selbsthilfe Lungenkrebs e.V.
Ehlers-Danlos Syndrome: Deutsche Ehlers-Danlos Initiative - Deutsche Ehlers-Danlos Initiative e. V.
ADHS: Herzlich Willkommen beim Internetauftritt des ADHS Deutschland e.V. | ADHS Deutschland e. V.
Restless Legs: Deutsche Restless Legs Vereinigung | RLS e. V.
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Psychologische Beratung kann dir helfen, Erfahrungen von Gaslighting zu verarbeiten. Manche Angebote sind anonym und kostenfrei, andere laufen über die Krankenkasse. Hier findest du Anlaufstellen, die dir zuhören und dich unterstützen.
Telefonseelsorge – kostenfrei, anonym, rund um die Uhr erreichbar 📞 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 www.telefonseelsorge.de
Nummer gegen Kummer – Beratung für Kinder, Jugendliche und Eltern 📞 116 111 (Mo–Sa 14–20 Uhr) www.nummergegenkummer.de
Psychotherapeut*innen-Suche der Kassenärztlichen Vereinigung – bundesweites Online-Verzeichnis für Kassensitze arztsuche.116117.de
Weitere Ressourcen:
Hier findest du ergänzende Tools und Verzeichnisse, die dich bei der Ärzt*innen-Suche und beim Praxisbesuch unterstützen können:
Queerfreundliche und/oder sensibilisierte Ärzt*Innen: https://queermed-deutschland.de/nach-empfehlungen-suchen/
Verzeichnis für diskriminierungsfreie Behandlungen in der Gynäkologie: https://www.gynformation.de/de
Rollstuhlgerechte Praxen: Wheelmap – Finde rollstuhlgerechte Orte.
Downloadlink Checkliste für Praxisbesuch