Trans* in der Medizin - Eine Richtigstellung zu „Ideologie statt Biologie im ÖRR“

Kritische Medizin München hat gemeinsam mit anderen politischen, medizinischen und queeren Gruppen in München eine Richtigstellung zu einem transfeindlichen Dossier veröffentlicht, welches maßgeblich von einem Münchner Oberarzt (Dr. med. Alexander Korte) verfasst und verantwortet wurde. Es bildete die Basis zu einem leider vieldiskutierten Artikel in der Welt „Wie ARD und ZDF unsere Kinder indoktrinieren” vom 01. Juni 2022.

Auch wir unterzeichnen diese wichtige Stellungnahme als Feministische Medizin e.V.

Die Richtigstellung dazu findet sich online unter https://richtigstellung-dossier.de/. Dort gibt es auch die Möglichkeit zu unterzeichnen. Die Verfasser*innen versuchen damit, den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Thema darzulegen.

Hinweis: Im Text werden Themen zu trans* Gesundheit und Suizidalität behandelt.

Bezugnehmend auf den Artikel „Wie ARD und ZDF unsere Kinder indoktrinieren“, erschienen in der WELT am 01. Juni 2022, und dem darin erwähnten Dossier „Ideologie statt Biologie im ÖRR“, sehen wir die Notwendigkeit für eine Richtigstellung [1, 2]. Die Autor*innen, darunter Dr. med. Alexander Korte (Oberarzt Kinder- und Jugendpsychiatrie LMU Klinikum München), kritisieren mehrfach Inhalte und Formate des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) und attestieren diesen fehlende Wissenschaftlichkeit in Bezug auf die Themen Geschlecht und trans* Identität. Im Dossier führen die Autor*innen vermehrt Eigendefinitionen ein, präsentieren Studienergebnisse ohne Kontext, verallgemeinern Einzelbeobachtungen und stellen diese als vermeintlich wissenschaftlichen Konsens dar.

Aufgrund der Vielzahl an Fehldarstellungen im Dossier fassen wir hier zunächst die wesentlichen Richtigstellungen kurz zusammen. Eine ausführlichere Darstellung und Begriffserläuterungen finden Sie weiter unten:

  • Wir treten ein für die Differenzierung zwischen sozialem Geschlecht (gender), Geschlechtsidentität (gender identity) und biologischem Geschlecht (sex). (s. Punkt 1)

  • Inter* Personen haben das Recht auf ein eigenes Geschlecht bzw. eine eigene Geschlechtsidentität. Gemäß den deutschen medizinischen Leitlinien steht in jedem Fall die bestmögliche somatische und seelische Betreuung der Einzelperson im Mittelpunkt und nicht die eindeutige Zuordnung von inter* Personen zu einem binären Geschlecht. Dabei gilt, dass der Personenstand nach derzeitiger Rechtslage bei einer Diagnose aus dem Bereich der Varianten der Geschlechtsentwicklung offengehalten oder als „divers“ eingetragen werden kann (Personenstandsgesetz § 22(3) PStG und § 45b PStG). (s. Punkt 2)

  • Wir sprechen uns gemäß dem aktuellen wissenschaftlichen Konsens für die sprachliche Verwendung des Begriffs „Varianten der Geschlechtsentwicklung (DSD)“ aus, wohl wissend, dass auch dieser Begriff nicht vollständig inklusiv sein kann. (s. Punkt 3)

  • Der ICD-11-Katalog beschreibt „gender incongruence“ (Genderinkongruenz) als eine ausgeprägte und anhaltende Inkongruenz zwischen dem sozialen Geschlecht (gender) und dem zugewiesenen Geschlecht (sex). Trans* Identitäten sind dabei nicht per se als Störung zu begreifen und geschlechtsvariante Verhaltensweisen und Vorlieben keine Diagnosegrundlage. Eine individualisierte Gesundheitsversorgung, sowohl für binäre als auch nicht-binäre trans* Personen, ist nach der aktuellen Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) anzustreben. (s. Punkt 4)

  • Trans* Menschen müssen in ihrem Leben nicht zwangsläufig Geschlechtsdysphorie erleben und trans* Identitäten sind somit nicht an sich pathologisch. Dennoch zeigen sich insbesondere bei trans* Jugendlichen, bedingt durch psychische Mehrfachbelastungen und Diskriminierungserfahrungen, erhebliche gesundheitliche Risikofaktoren, die gesellschaftlich und medizinisch besser berücksichtigt werden müssen, indem Betroffene Unterstützung unter Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität erhalten. (s. Punkt 5)

Die Autor*innen des Dossiers „Ideologie statt Biologie im ÖRR“ werfen dem ÖRR vor, biologische Fakten nicht zu berücksichtigen und ein Zerrbild der Realität basierend auf widerlegbaren Falschaussagen zu zeichnen. Das Dossier erhebt demgegenüber den Anspruch auf wissenschaftliche Korrektheit. Diese wissenschaftliche Korrektheit können wir nicht erkennen. Im Gegenteil - der Inhalt des Dossiers steht im Widerspruch zu diversen medizinischen Leitlinien, medizinisch international anerkannten Definitionen und verfassungsrechtlichen Beschlüssen. Zudem verzerren die wiederholte Verwendung überholter Begriffsdefinitionen und das Beharren auf diskriminierenden Begriffen den Diskurs und hemmen die Entwicklung hin zu mehr Sensibilität gegenüber Betroffenen. Insgesamt möchten wir uns daher mit diesem Statement nachdrücklich für einen faktenbasierten, sachlichen und wertschätzenden wissenschaftlichen Diskurs einsetzen, der sich lösungsorientiert für Betroffene einsetzt.

Weitere Details finden sich auf der Seite der Richtigstellung: https://richtigstellung-dossier.de/

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Petition und Offener Brief zur Namensgebung des Universitätsklinikums und der medizinischen Fakultät Dresden

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Positionspapier: Sprachmittlung im Gesundheitswesen